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Trauer und Solidarität

Mahnwachen für die Opfer der Morde in Hanau

Matthias HartmannMenschen mit Plakat "Rassismus Tötet"Mahnwache in Gießen zum Gedenken an die Opfer der Gewalttat in Hanau

In bundesweit über 50 Städten haben Menschen am Donnerstagabend bei Mahnwachen der Opfer der mutmaßlich rassistisch motivierten Morde in Hanau gedacht. Viele der Veranstaltungen fanden in Hessen statt.

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Fahnen auf Halbmast gesetzt vor der Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Menschengruppe Dekan André Witte-Karp spricht ins Mikrofon. Ansprache Menschen vor Kerzen auf dem Boden.

Rund 2.000 Menschen haben am Donnerstagabend bei einer Mahnwache auf dem Hanauer Marktplatz der Opfer der mutmaßlich rassistisch motivierten Morde vom Mittwoch gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte den Angehörigen sein Mitgefühl und seine Solidarität aus. Der „brutale Terroranschlag” in der südhessischen Stadt mache „fassungslos, traurig und zornig”. Er erinnere in fataler Weise an den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie an den Anschlag auf die Synagoge in Halle.

Politiker setzen Zeichen

Steinmeier rief auch dazu auf, der Sprache der Gewalt Einhalt zu gebieten, die gleichsam den Weg für solche Taten bereite. Wichtig sei es, dagegenzuhalten, wenn Menschen diskriminiert, ausgegrenzt oder ihrer Würde beraubt würden. „Wir stehen zusammen, das ist das stärkste Mittel gegen Hetze und Hass”, betonte er.

Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mahnte, „sich nicht spalten zu lassen, sondern zusammenzuhalten und keinen Millimeter preiszugeben von dieser freiheitlichen Demokratie, nicht nur in Hanau, sondern überall in Deutschland”. Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) nannte die Teilnahme von Steinmeier, Bouffier sowie von anderen Politikern und Religionsvertretern ein wichtiges Zeichen des Respekts und der Solidarität nicht nur für die Angehörigen der Opfer, sondern für die gesamte Stadtgesellschaft.

An der Mahnwache beteiligten sich unter anderen auch die kurhessische evangelische Bischöfin Beate Hofmann, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek.

„Wir stehen an Ihrer Seite!“

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann, hat am Freitag muslimischen und jüdischen Gemeinden in Hessen angesichts der rassistisch-motivierten Morde in Hanau ihre Solidarität ausgesprochen. Sie versicherte ihnen, dass evangelische Christinnen und Christen Rassismus verurteilten und für ein friedliches Zusammenleben einträten. Der christliche Glaube widerspreche rassistischem Denken. Bischöfin Hofmann schloss mit den Worten: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den betroffenen Familien, Freundeskreisen und Gemeinschaften.“

Die Solidaritätsbekundung im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Namen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck möchte ich Ihnen meine Betroffenheit über die rassistisch motivierten Morde in Hanau aussprechen und Ihnen versichern, dass wir als evangelische Christinnen und Christen Rassismus verurteilen und durch unsere kirchliche Arbeit für ein friedliches Zusammenleben in diesem Land eintreten. Unser Glaube widerspricht rassistischem Denken und fördert die Achtung der Würde aller Menschen. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den betroffenen Familien, Freundeskreisen und Gemeinschaften.

Wir stehen an Ihrer Seite!

Friede sei mit Ihnen - Salam aleikum – Schalom

 

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, die Morde in Hanau hätten gezeigt, welche große Gefahr von unorganisierten Einzeltätern ausgehe, die sich im Netz radikalisieren. „Sie sind tickende Zeitbomben, denen wir mit allen Mitteln begegnen müssen, die uns der Rechtsstaat bietet”, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Lambrecht forderte, Rechtsextremisten konsequent zu entwaffnen.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, rief zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. „Zur Überwindung der Gewalt ist es jetzt notwendig, dass die Menschen in unserem Land zusammenstehen”, sagte er der „Rheinischen Post” (Freitag). „Die Gottesdienste, zu denen die Kirchen nach der Gewalttat von Hanau eingeladen haben, geben Raum, um Erschrecken, Betroffenheit und Trauer zum Ausdruck zu bringen.”

Jetzt komme es auf jeden Einzelnen an, sagte Bedford-Strohm: „Wir sind alle gefordert, Rassismus und Antisemitismus in den konkreten Situationen des Alltags vehement zu widersprechen.” Zudem müsse klar sein: ”Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden.”

Trauer in vielen hessischen Städten

Mahnwachen fanden am Donnerstagabend auch in mehr als 50 weiteren deutschen Städten statt, darunter auch in zehn hessischen. In Frankfurt am Main hatten der Rat der Religionen, dem auch die evangelische und die katholische Kirche angehören, sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund und das Türkische Volkshaus zu einer Mahnwache an der Paulskirche eingeladen. Hilmi Tozan, Vorsitzender des Türkischen Volkshauses, nannte die Morde „das Fanal einer bedenklichen Entwicklung in Deutschland”. Menschen seien in Synagogen, Moscheen, Restaurants, Shisha-Bars, Dönerläden, in feministischen und linken Einrichtungen ihres Lebens nicht mehr sicher. Die Morde seien die Folge der Verharmlosung des rechten Terrors.

In Gießen hatten sich rund 500 Menschen zu einer Mahnwache auf dem Kirchenplatz versammelt, um der Opfer der Gewalttat in Hanau zu gedenken. Aufgerufen hatten das Evangelische Dekanat Gießen und der DGB. Der evangelische Dekan André Witte-Karp drückte sein Entsetzen aus: „Wir trauern um die Opfer, unsere Gedanken und Gebete sind bei ihnen und bei ihren Angehörigen. Wir stehen an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden.“ Es könne nicht beruhigen, so Witte-Karp, dass der Täter psychisch erkrankt war. Die Worte, die das friedliche Zusammenleben zersetzen sollen und die in unserem Land wieder sagbar sind, führen zu Taten, denen Menschen zum Opfer fallen. „Wir stehen hier und trauern und mahnen.”
Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, die zuvor Karnevalsaktivitäten und den „Sturm aufs Rathaus” abgesagt hatte, sagte, es gelte, „gemeinsam ein Zeichen zu setzen gegen rassistische Gewalt” sowie der „Fassungslosigkeit und Trauer Ausdruck zu verleihen". Zur Mahnwache gekommen waren neben den politischen auch religiöse Vertreter wie der katholische Dekan Hans-Joachim Wahl und Mitglieder der Jüdischen Gemeinde. Kemal Deniz, Geschäftsführer der Kurdischen Gemeinde Deutschland, mahnte, dass sich dieses abscheuliche Verbrechen einreihe in nationalsozialistische Morde. An die politisch Verantwortlichen appellierte er, angesichts dieser Gefahr endlich zu handeln.

In Darmstadt versammeln sich Menschen in der Stadtkirche und auf dem Luisenplatz. Rund 80 Menschen waren am frühen Donnerstagabend in die Stadtkirche gekommen, um in einer ökumenischen Andacht gemeinsam zu trauern und Fürbitte zu halten, darunter auch Politiker aus Stadt, Land und Bund.

„Wütend sind wir darüber, wie groß die Blutspur rechtsextremen Terrors inzwischen geworden ist“, sagte Stadtkirchenpfarrer Karsten Gollnow eingangs, „wir sind auch hierhergekommen, um gemeinsam einzutreten gegen jede Form von Rassismus, Hass und Gewalt in unserem Land und uns einzusetzen für ein friedliches Miteinander mit allen, die in diesem Land zu Hause sind.“ Der katholische Dekan Dr. Christoph Klock las aus Psalm 143, in dem der Beter um Hilfe und Verschonung zu Gott fleht. „Wir sind fassungslos und sprachlos“, sagte Pfarrer Dr. Raimund Wirth, „aber es ist nicht gut, zu verstummen.“ In einem eindringlichen Gebet, bei dem die Gemeinde jeweils mit dem Ruf um Erbarmen „Kyrie eleison“ antwortete, brachte der stellvertretende evangelische Stadtdekan Klage und Fürbitte vor Gott: „Wir bitten um Zusammenhalt über alle Grenzen von Religionen und Weltanschauungen hinweg. Schenke, dass wir uns verstehen, lass und offen sein füreinander, kreativ im Miteinander. Lass die Saat des Hasses nirgendwo aufgehen.“ Und weiter: „Gib uns eine klare Sprache, wo wir gefragt sind: im Fußballverein und am Stammtisch, in den Kirchen und Parlamenten, am Arbeitsplatz, im Internet.“ 

Viele Besucherinnen und Besucher der Andacht machten sich anschließend auf den Weg von der Stadtkirche zum Luisenplatz.

In Dietzenbach sprach Landrat Oliver Quilling, Landrat des Kreises Offenbach, zu den versammelten Menschen: 
„Die schreckliche Gewalttat, der mutmaßlich ein rassistisches Motiv zu Grunde liegt, ist ein tödlicher Angriff auf Menschen und auf die Menschlichkeit.
Der Anschlag geht uns alle an, denn die Zielscheiben sind auch unsere Demokratie und unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung, die im Kreis Offenbach von Toleranz sowie von der Vielfalt von Menschen aus rund 180 Nationen lebt. “
Zwei der zehn Opfer sollen aus der Dietzenbach stammen.

Der 43 Jahre alte deutschen Staatsangehörige Tobias R. hatte nach vorläufigen Erkenntnissen der Ermittler am Mittwochabend in Hanau neun Menschen erschossen. Später wurden er und seine Mutter tot in der Wohnung des mutmaßlichen Täters gefunden. Die Bundesanwaltschaft sieht „gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund der Tat”. Alle in den zwei Shisha-Bars getöteten Menschen hatten einen Migrationshintergrund.

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