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Griechenland – Ein Interview

„Die EU war wie ein Restaurant – jetzt kommt die Rechnung“

Charlotte MattesApostolos Simoglu, Senior Financial Consultant

Apostolos Simoglu ist Grieche und lebt in Frankfurt. Er hat viel Kontakt zu seiner Familie in Griechenland. Mitte März war er das letzte Mal vor Ort. Dort hat er den Alltag vieler Griechen erlebt.

Herr Simoglu, in Griechenland soll es am Sonntag ein Referendum geben. Das heißt, die griechische Bevölkerung kreuzt „ja“ oder „nein“ zu den Forderungen der Gläubiger, vor allem aus der EU, an. Was halten Sie von dem Referendum?

Apostolos Simoglu: Man hätte das vor einigen Wochen, bevor die Programme ausgelaufen sind, anstoßen können. Die Menschen hätten Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Auch die Europäische Union und die europäischen Partner hätten gewusst, wo der Weg hinführen kann oder wird. Aber kurz vor Schluss zu sagen: „Nö - ich steige jetzt aus“ oder „ich spiele nicht mehr mit“, wie ein kleines Kind, das verärgert ist. Das macht mich sehr traurig.

Sie leben in Frankfurt und haben hier Kontakt zu vielen Griechen. Wie sieht die griechische Community in Deutschland die Situation in Griechenland?

Simoglu: Sehr geteilt. Ich habe gerade mit einem Freund über WhatsApp geschrieben. Er ist Anhänger der Syriza. Ich bin es nicht. Da gibt es viele Diskussionen, aber wir gehen immer freundlich miteinander um. Er schreibt: „Wir sind nicht verantwortlich für die Schulden. Das haben die Eltern und Großeltern gemacht.“ Daraufhin habe ich entgegnet: Man muss sich das so vorstellen, die europäische Union ist ein Restaurant gewesen. Wir haben gegessen. Wir haben bestellt. Wir haben nochmal gegessen. Jetzt kommt die Rechnung und die müssen wir begleichen, auch wenn wir uns das Restaurant nicht ausgesucht haben. Das verstehen manche. Andere aus der Community sagen: „Ja, aber ich kann doch nichts für die Sippenhaft.“

Sie waren Mitte März in Griechenland und sind mit Ihrem Cousin durch Thessaloniki gelaufen. Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

Simoglu: Für junge Menschen scheint es zwei Optionen zu geben: entweder ins Café gehen oder zu Hause mit den Eltern die wöchentlichen Talkshows anschauen, weil die alle arbeitslos sind. Da setzen sich viele lieber ins Café, bestellen eine Tasse Kaffee für drei Euro und halten sich den ganzen Tag daran fest. Ich habe junge Menschen gesehen, die viel gelacht haben, aber im Endeffekt haben sie da einfach nur gesessen, um nicht mit ihren Eltern auf der Couch zu sitzen.

Das klingt nach Perspektivlosigkeit. Sie sagen, dass auch schon die ganz Kleinen unter der Armut leiden. Deshalb spenden Sie für SOS-Kinderdörfer in Griechenland. 

Simoglu: Die SOS-Kinderdörfer, für die ich spende, waren eigentlich für afrikanische Kinder gedacht. Jetzt leben aber griechische Kinder drin, weil ihre Familien sie teilweise nicht ernähren können. Außerdem fallen Kinder teilweise im Schulunterricht um, weil sie Hunger oder Durst haben. Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass es mitten in Europa – in einem europäischen Unionsland – soweit gekommen ist, dass die Versorgung der Schwächsten teilweise nicht mehr aufrechterhalten werden kann. 

Sie helfen unter anderem mit Spenden. Der Papst betet, was halten Sie davon?

Simoglu: Ich finde es schön, wenn der Papst sagt, er betet für Griechenland. Ob es jetzt hilft, weiß ich nicht, schaden tut es nicht. Und es ist auch gut, dass er dieses Problem in das Bewusstsein vieler anderer Europäer bringt.

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