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Sprachkurs hilft Flüchtlingen, Leben in Deutschland besser zu verstehen

Deutsch lernen in der Gaststätte

bon

1534 Asylsuchende leben derzeit im Westerwaldkreis und haben noch keine Anerkennung. Manche von ihnen warten schon seit Jahren auf die erlösende Nachricht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und erleben oft einen tristen Alltag zwischen Hoffen und Bangen. Ein Lichtblick: die vielen Sprachkurse.

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Manche dieser Kurse sind ehrenamtlich organisiert, andere sind an kirchliche oder soziale Einrichtungen gebunden. Einer von ihnen hat vor einigen Wochen in Freirachdorf begonnen und ist in Trägerschaft des Diakonischen Werks.

 

Du oder Sie?

 

Dort, in einer ehemaligen Gaststätte, lernen rund ein Dutzend ausländische Menschen Deutsch – und die vielen kleinen Dingen, die helfen, das Leben in unserem Land besser zu verstehen. Heute geht es im Erdgeschoss der Gaststätte erst einmal darum, den Unterschied zwischen dem Du und dem Sie zu verstehen. Das ist gar nicht so einfach, denn die sechs Asylbewerber aus Syrien stehen erst am Anfang des Kurses und können mitunter nicht mal englisch sprechen. Und den Unterschied zwischen der respektvoll-distanzierten und der freundschaftlich-vertrauten Anrede kennen sie auch noch nicht. Doch die Leiterin Irene Böhler hat nach mehreren Sprachkursen in Selters, Montabaur oder Höhr-Grenzhausen Erfahrung und weiß, dass es auf eine langsame, deutliche Sprache, präzise Gesten und viel Geduld ankommt. Immer und immer wieder übt die Gruppe das gegenseitige Fragen und Antworten: „Wo wohnen Sie?“ „Ich wohne in Freirachdorf. Wo wohnst Du?“ und so weiter. Später formulieren die Männer und Frauen dann eigene Fragen, setzen das Du und Sie ein, und haben damit mal mehr, mal weniger Glück.

 

Gewissenhafte Lehrerin

 

Irene Böhler korrigiert selbst kleine Ungenauigkeiten sofort. Das wirkt manchmal streng, aber es hilft: Die Syrerinnen und Syrer sind motiviert bei der Sache und freuen sich über Erfolge – und wenn es nur das korrekte Schreiben des Buchstaben S ist. Die meisten von ihnen kennen nur die arabische Schrift und müssen unsere völlig neu lernen. Wie Erstklässler, von links nach rechts. Und obwohl sie nicht an diesem Kurs teilnehmen müssten: Sie nehmen diese Mühe auf sich. Weil sie es wollen. „Manche von ihnen haben nie eine Schule besucht“, sagt Irene Böhler nach ihrer Deutschstunde. „Sie haben also nie gelernt, zu lernen. Deswegen sind kleine Schritte wichtig.“

 

Es braucht Zeit

 

Es dauert eben seine Zeit, bis die Flüchtlinge die Satzenden nicht mehr nach oben wegrutschend schreiben, wie es im Arabischen üblich ist. Oder bis sie die Umlaute oder Zeiten verstehen – ganz zu schweigen von korrekt konjugierten Verben. Es dauert, aber es scheint zu funktionieren. Auch wenn es manchmal im Zwischenmenschlichen hakt, wie in einem früheren Sprachkurs, in dem sich Irene Böhler als Frau erst Respekt verschaffen musste. „Inzwischen ist es so, dass ich fast so etwas wie eine Mutter für die Teilnehmer bin und sie Achtung vor mir haben“, sagt sie lächelnd.

 

Keine Kippen im Hof

 

Und wie eine Mutter gibt sie den Männern und Frauen immer wieder Verhaltensregeln mit – ob es nun das Wegfegen der Kippen im Hof oder das pünktliche Erscheinen zum Kursbeginn ist. Der Sprachkurs ist eine gute Vorbereitung auf ein Leben in Deutschland. Nicht nur, was die Sprache angeht. Eines kann er den Asylbewerbern aber nicht beibringen: mit der Ungewissheit umzugehen, ob sie als Flüchtlinge anerkannt werden oder nicht. Aber er kann helfen, diese Zeit der Ungewissheit zumindest ein Bisschen erträglicher zu machen. (bon)

Der Sprachkurs in Freirachdorf wird von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier und der Evangelische Familien- und Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz finanziert; die Verbandsgemeinde Selters stellt die Räume kostenlos zur Verfügung. Der Träger ist das Diakonische Werk im Westerwaldkreis. Weitere Infos zu Sprachkursen für Asylbewerber gibt es beim Diakonischen Werk im Westerwaldkreis, Telefon 02602/1069871.

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