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Dalai Lama in Frankfurt

Der Dalai Lama erfährt Verehrung und Ablehnung

Edstock/istockphoto.comLacht gerne: Der Dalai Lama in New York

Der Dalai Lama besucht Deutschland und viele Anhänger kommen - aber auch eine kleine Zahl von Gegnern macht lautstark auf sich aufmerksam. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter wirbt für mehr Mitgefühl mit anderen.

von Jens Bayer-Gimm (epd)

Beifall brandet auf, die Besucher erheben sich von ihren Sitzen: Der Dalai Lama betritt die Frankfurter Sporthalle Fraport-Arena. Der in ein rotes Obergewand gehüllte 79-Jährige, der von allen Vorrednern als „Seine Heiligkeit“ angekündigt wird, nimmt auf einem erhöhten und beleuchteten Sessel wie auf einem Thron Platz. Er begrüßt die rund 3.500 Besucher mit einem Kichern und Lachen, das sofort vom Publikum erwidert wird. Nur wenige Reihen auf den drei Seiten der Halle vor der Bühne sind noch frei.

Der Vortrag über „Mitgefühl und Selbstbewusstsein“ ist der öffentliche Auftritt des geistlichen Oberhaupts der Tibeter während seines Deutschland-Besuchs vom 13. bis 16. Mai. Der Besuch wird vom Frankfurter Verein Tibethaus Deutschland organisiert, und Frankfurt ist die einzige Station. Vor den Eingängen der Sporthalle warten Besucher jeden Alters in langen Schlangen. Nancy Gurrieri-Meixner interessiert sich für den Buddhismus. Sie freue sich, den Dalai Lama kennenzulernen: „Er hat Charisma“, lobt die junge Frau. Sylvia Spachmann-Schmidt findet: „Die Botschaft des Dalai Lama öffnet das Herz.“ Ein Problem der Gesellschaft sei: „Wir denken zu sehr an uns selbst.“ Dagegen wecke der Dalai Lama Mitgefühl zu anderen.

Claus Blumenroth hat das tibetische Oberhaupt schon getroffen. Der grauhaarige Herr ist Mitgründer und -leiter der Hilfsorganisation Roter Lotus, die derzeit ein Krankenhaus bei Varanasi in Indien errichten will. Hedwig Krenzer schließlich ist gekommen, weil sie den Dalai Lama als „notwendigen Gegenpol“ betrachtet: „Die Kälte in der deutschen Gesellschaft ist erschreckend.“ Mit seiner Friedensbotschaft „stellt der Dalai Lama das Gleichgewicht her“, empfindet die ältere Dame.

Drinnen in der Halle kommt immer wieder Heiterkeit auf: „Seine Heiligkeit“ lacht gerne, das Publikum dankt es ihm. Ein glückliches Leben und eine friedvolle Gesellschaft gehe von jedem Einzelnen aus, beginnt der Dalai Lama seinen Vortrag. Es komme darauf an, die inneren Werte zu entwickeln. Jeder Mensch brauche Freundschaft, die auf echter Zuneigung und Wertschätzung beruhe. Wenn man nur an die eigenen Interessen denke, sei dies ein Hindernis für das eigene Glück. Materieller Wohlstand sei kein Garant für Wohlergehen.

Auf die Zwischenrufe eines Mannes in englischer Sprache entgegnet das tibetische Oberhaupt, man könne ihn für einen falschen Dalai Lama halten, aber nicht für einen falschen Menschen. Auch er kenne schlechte Gedanken wie Neid, die Furcht und Distanz schaffen. Er geht auf die Sprechchöre von Anhängern des tibetischen Shugden-Kultes gegen ihn am Vormittag vor seinem Hotel ein. Die Verehrung dieses Dämons schade dem Buddhismus und den Menschen. Jeder sei frei, dies zu tun, aber es sei seine Pflicht, davor zu warnen.

Wichtig sei, dass die eigenen Gefühle durch solche Beobachtungen nicht beeinträchtigt würden. „Wir müssen positiv mit den eigenen Emotionen umgehen“ und eine mentale Hygiene üben, sagt der Dalai Lama. Es gehe darum, Sorge für andere zu empfinden. Dafür brauche man eine positive Selbstliebe. Das Wesentliche aller Ethik sei der Respekt vor dem anderen. Aufrichtiger Respekt sei die Basis für Vertrauen.

Nicht alle Besucher sind dem Dalai Lama wohlgesonnen. Als eine Frau ihn am Mikrofon fragt, warum er in den 1960er Jahren Hunderte von tibetischen Kindern in westliche Länder habe schicken lassen, antwortet ein betroffener Tibeter, er sei froh, nach der Vertreibung aus Tibet und der Trennung von den Eltern in Europa Aufnahme gefunden zu haben. Ein Besucher in der Reihe urteilt abfällig über den Dalai Lama, weil er nicht selbst antworte: „Er ist ein Politiker.“

Am Vormittag hatte der Dalai Lama vor Journalisten die Bedeutung des Mitgefühls in den Religionen betont. Alle Religionen wollten mehr Menschlichkeit, sagte er. So dienten christliche Mönche und Nonnen den Armen in den entlegensten Dörfern der Erde. Er empfahl, in der eigenen religiösen Tradition zu bleiben. Zum Auftakt seines Besuchs war der Dalai Lama am Dienstag im Frankfurter Tibethaus mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) zu einem persönlichen Gespräch zusammengetroffen. Die hessische Landesregierung hatte anders als in früheren Jahren das tibetische Oberhaupt nicht eingeladen.

Trotz täglich vier bis fünf Stunden Meditation gibt es auch etwas, was dem Dalai Lama gegen den Strich geht: „Ich mag nicht zu viele Formalitäten“, antwortet er auf eine persönliche Frage. Und seinen 80. Geburtstag nächstes Jahr werde er nicht feiern, er sei ihm egal. Außer: „Wenn Sie mich einladen, dann komme ich.“

An diesem Donnerstag wird der Dalai Lama in der Paulskirche 800 Schülern Rede und Antwort stehen und anschließend vor 900 geladenen Gästen mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann und dem Frankfurter Philosophen Rainer Forst über „Ethik jenseits von Religion“ sprechen. Die beiden geschlossenen Veranstaltungen in der Paulskirche werden vom Tibethaus Deutschland per Livestream im Internet übertragen.

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