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Blickwechsel

Rassismus ist eine tiefe Idee

Gerd Altmann/pixabay

Rassismus befindet sich nicht nur in einer rechten Partei, sondern sie ist eine tiefe Idee, die in vielen menschlichen Verhaltensweisen verwurzelt ist. Über alltägliche Formen von Rassismus und ihre verdeckten Äußerungen in Form von „uns“ und „Euch“, von „ihr“ und „wir“ schreibt Wael Deeb.

Nach der Ermordung des Französischlehrers

Nach einigen Stunden von der Ermordung eines Französischlehrers, rief mich mein Nachbaren an um mir die Demokratie, Säkularismus und das französische republikanische System zu erklären. Er wollte gerne meine Meinung darüber hören: Was halten (wir) als Flüchtlinge davon?

Er hat nicht vergessen, mir zu versichern, dass (wir) als Europäer die Gewalt befürchten, die einige Flüchtlinge 2015 mitgebracht haben. Ich hatte nicht den Luxus, meine Meinung zu äußern. Seit meinen ersten Tagen in Deutschland habe ich schweigend den Kopf geschüttelt, da ich nicht so gut Deutsch kann, um in eine Diskussion zwischen Philosophie, Wissenschaft und Geschichte einzutauchen. Auch finde ich in der Stille eine besondere Weisheit, denn Geschichte sind für mich Geschichten, die sich wiederholen, und was heute hier passiert, wird morgen da, mit einfachen Unterschieden, passieren. Ich schwieg und hörte zu.

Für meinen Nachbarn ist die Geschichte räumlich und zeitlich beschränkt. Für ihn beginnt die Geschichte mit der Französischen Revolution und reicht bis zu den raffiniertesten Formen des Staates, der Justiz und eines zusammenhängenden Sozialsystems, das den Arbeitslosen (Flüchtlingen) Sozialhilfe bietet. Das Wichtigste für ihn ist, diese soziale Ordnung vor der Gefahr zu bewahren, die Flüchtlinge direkt darstellen, wie etwa der Gewalt, die die Flüchtlinge aus ihren Kulturen mit sich führen, oder indirekt, wie der Aufstieg der Rechten Parteien in Deutschland.

Als ich ihn nach den Millionen Algeriern fragte, die vom französischen Kolonialismus getötet wurden, reagierte er schnell und kurz. Der Kolonialismus entwickelte das Land und führte Technologie und moderne Bauweise ein.

Das Gespräch ist immer zwischen (uns) und (euch/ihnen), (hier) und (da), in dramatischen Geschichten aufgeteilt, die niemals enden. (Wir) sind die Söhne des Landes und sein strahlendes zivilisiertes Gesicht, und (ihr/euch) seid die Neuankömmlinge, die die Zivilisation und die Meinungsfreiheit steinigen wollen. Diese Anschuldigung scheint richtig zu sein, bis Flüchtlinge das Gegenteil beweisen.

Corona und Rassismus

In einer der Zahnpraxis, in denen Ärzte verschiedener Nationalitäten arbeiten, musste ich eine Stunde im Wartezimmer sitzen, bevor ich zum Arzt durfte. Die strengen Vorschriften und die soziale Distanzierung im Zusammenhang mit Covid-19 hinderten mich nicht daran, an den Diskussionen im Wartezimmer teilzunehmen. Ein Patient beschwerte sich über den mangelnden Respekt vor den Terminen und die lange Wartezeit und fragte sich, ob dies auch passieren würde, wenn die Ärzte alle Deutsche wären? Währenddessen schrie eine andere Patientin die Praxishelferin an und weigerte sich, ihre Zähne von einem nicht deutschen Arzt zu behandeln. Sie fügte hinzu, dass sie niemals einem Arzt vertrauen würde, der hier nicht studiert hat.

Die Zweiteilung zwischen „ihnen/euch“ und „uns“ reicht von Zeit zu Zeit so tief in die soziale Debatte hinein, dass man nicht zwischen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Eltern und Eltern mit Migrationshintergrund unterscheiden kann, die 2015 in Deutschland angekommen sind. Jeder ist hier gleich mit der harten Realität (wir/sie/ihr) konfrontiert.

Dies geschieht auch mit der Ankündigung des deutschen Professors türkischer Herkunft Ugur Sahin und des Inhabers von Biontech über den bevorstehenden Erfolg eines Impfstoffs gegen das Corona-Virus, an dem er in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Unternehmen arbeitet. Viele sagten, es sei eine gute Nachricht, aber wenn der Arzt Deutscher gewesen wäre, wäre es besser gewesen. Während einige weiter sagten, dass die Entdeckung des Impfstoffs durch Einwanderer das positive Image der Einwanderer vor den einheimischen Landsleuten stärken würde.

Parallelgesellschaften

In einer der Universitätsvorlesungen stellt der Professor eine Frage zur Integration und zu den Gründen für die Entstehung von Parallelgesellschaften unter Einwanderern in Deutschland. Ein in Deutschland geborener Student türkischer Eltern antwortet, dass Parallelgesellschaften die Antwort der Migranten auf das tiefe Gefühl der Ungleichheit mit den Einheimischen des Landes sind. Der Student spricht nicht über Gleichheit vor dem Gesetz, sondern es bedeutet kulturelle Gleichheit für alle. Die Kultur des anderen erkennen und nach gemeinsamen Kulturbereichen suchen, um eine breitere Kultur hervorzubringen. Es ist kein kultureller Konflikt.

Kinder ohne Stimme

Der Winter klopft schnell an unsere Türen, aber er unterscheidet auch zwischen hier und da. Hier genießen wir die Wärme des Ortes, aber es gibt Kinder von Lagern in Griechenland, der Türkei, dem Libanon, Jordanien, Syrien und dem Irak, und die Liste ist endlos. Kinder spielen Schlammbälle mit kaltem Wasser, gehen zwölf Stunden hintereinander zur Arbeit, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, speichern Bilder von Entbehrungen und Unterdrückung in ihren Gedanken, sie lernen nicht und haben keine Hoffnung auf eine nahe oder ferne Zukunft, außer aus Schlamm herauszukommen.

Sie betrachten die Menschen ihres Landes mit Argwohn, ihr (wir) seid/sind die Überlebenden und wir (ihr) sind/seid die Wahnsinnigen der Gestrandeten. Diese Dualität (wir) und (ihr) zeigt sich erneut zwischen den Menschen desselben Landes. Ich frage mich, was sie in Zukunft tun werden und was wir für sie tun werden.

Rassismus ist eine tiefe Idee

Rassismus befindet sich nicht nur in einer rechten Partei, sondern sie ist eine tiefe Idee, die in vielen menschlichen Verhaltensweisen verwurzelt ist. Sie ist nicht auf eine Gesellschaft beschränkt ... Stadtbevölkerung sind rassistisch gegenüber Dorf Bevölkerung und Reiche sind rassistisch gegenüber den Armen und die armen Menschen sind rassistisch gegenüber den Ärmsten und die Männer sind rassistisch gegenüber Frauen …. Rassismus ist die Arroganz, die Menschen gegeneinander ausüben ... Manchmal ist Rassismus klar und tritt in Form einer Partei oder einer Strömung auf, aber er verbirgt sich oft im Verhalten einiger und dies ist die gefährlichste Form.

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