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Fatima berichtet aus dem Flüchtlingslager

Ist das Land zu eng für seine Kinder?

Wir wollen so leben wie die Menschen. Mit normalen Händen, mit denen wir unsere Kinder umarmen können, nicht mit rissigen und schmutzigen Händen, weil wir in den Müllcontainern suchen müssen, um was zu essen zu finden. Mit Beinen auf normalem Boden, und nicht mit den gezackten Beinen wegen des langen Warteelends vor einem Hilfskarton dieser oder jener Organisation. Mit reinen Herzen, die von morgen träumen, und nicht mit ängstlichen Herzen, die darüber zittern, was morgen sein wird. Davon gingen wir in den ersten Augenblicken aus, in denen uns die türkische Armee sagte, dass wir keinen Platz mehr auf türkischem Boden hätten.

„Ist das Land zu eng für seine Kinder?“ fragt Fatima mit zitternder Stimme, die per Handy aus einem Flüchtlingslager an der türkisch-griechischen Grenze zu mir kommt. Fatima weigert sich ausdrücklich, ihren Namen zu erwähnen und sagt, dass die griechische Polizei Mitglieder ihrer Familie mit schweren Schlägen angegriffen habe, nachdem sie die griechischen Grenzen erreicht hatten. „Sie versammelten Dutzende von Polizisten vor uns, die eine menschliche Barriere gegen uns bildeten und uns aufforderten, in die Türkei zurückzukehren.“

Das Leben in der Türkei ist eine andere Art von Hölle

„Das Leben in der Türkei ist eine andere Art von Hölle“, sagt Fatima und erzählt ihre Geschichte: „Wir sind 2013 aus der Stadt Lattakia in die Türkei gekommen. Der Krieg hat alles verschlungen. Mein Mann begann Geschäfte zu machen und wir hatten zuerst das Gefühl, dass alles gut lief. Aber es dauerte nur ein paar Monate, bis sich die Dinge änderten. Aufgrund der strengen Gesetze und Maßnahmen, die die Türkei gegen syrische Flüchtlinge ergriffen hatte, verlor mein Mann seinen Job und wir standen wieder einmal im Wind.

Gefühle der Angst und Verzweiflung dominieren uns ohne Hoffnung

Gehen wir zurück? Die Frage wurde von uns oft gestellt, aber wohin? Es vergingen harte Monate, bis mein Mann einen Job in einer Autowaschanlage fand, aber der Lohn reichte nicht für die einfachen Lebenskosten. Man braucht so viel Arbeit, um ein kleines Haus zu mieten und seinem Kindern Brot und Milch zu bringen. Das Leben in der Türkei dreht sich ohne Sinn und Zweck, Gefühle der Angst und Verzweiflung dominieren uns ohne Hoffnung. Wie können wir also bleiben?

In Europa zu leben bedeutet, in die helle Hälfte der Welt zu ziehen

In Europa zu leben bedeutet, in die helle Hälfte der Welt zu ziehen. Wir hören von unseren Freunden über das Leid der Flüchtlinge in Deutschland, dass sie unter dem Erlernen der Sprache und der Schwierigkeit leiden, Arbeit und Status in der Gesellschaft zu erlangen. Aber wenn wir dieses Leiden mit dem Leiden eines langen Wartens vor dem Hilfsverteilungswagen vergleichen, lachen wir nur noch.

Als die Grenzen geöffnet wurden, waren wir entschlossen zu gehen, trotz unserer Gewissheit, dass es fast unmöglich ist, Deutschland zu erreichen, und dass das, was 2015 passiert ist, nicht wiederholt wird. Aber gibt es eine andere Option für Tod oder Leben?“

Es gab keine Gnade in den Herzen der Sicherheitskräfte

Fatima wartete lange mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an der türkisch-griechischen Grenze: „Es gab keine Gnade in den Herzen der Sicherheitskräfte, die unseren Tod wollten. Als wären wir Insekten, die aus dem Müll fliegen und wir erkennen, dass es keinen anderen Weg gibt, die helle Hälfte der Welt zu erreichen. Das Leben im griechischen Asyllager ist nicht besser als alles, was wir bisher gelebt haben. Hier leben wir in Hunger, Angst und Demütigung, aber wir sind einen Schritt näher dran, für unsere Kinder ein sicheres Land zu erreichen.

Zum Autor: Wael Deeb ist syrischer Journalist und lebt seit 2015 in Deutschland.

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