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Afghanistan

Abschiebungen nach Afghanistan sind ein menschenrechtlicher Skandal

Medienhaus EKHN

„Obwohl es vielfältige und gesicherte Informationen gibt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan desolat ist, werden kontinuierlich Geflüchtete abgeschoben“, sagt Andreas Lipsch, Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit und Migration der Diakonie Hessen, zu dem vermutlich für Mittwoch angesetzten Abschiebeflug nach Afghanistan. „Dies ist aus menschenrechtlicher Sicht ein Skandal.“

Medienhaus EKHNAndreas Lipsch, Abteilungsleiter Flucht, Interkulturelle Arbeit und Migration bei der Diakonie Hessen

Aus Hessen wurden bei dem letzten Sammelabschiebeflug Anfang Oktober 2019 zwei Menschen und aus Rheinland-Pfalz ein Mensch abgeschoben. Lipsch: „Selten gab es ein derart teures und unsinniges, politisches Projekt wie diese monatlichen Abschiebeflüge nach Afghanistan. In diesem Land gibt es nach UN-Angaben keine sicheren Gebiete, weder für Einheimische und Abgeschobene noch für international Tätige.“ 

Anschlagsgefahr in Afghanistan nimmt zu: Abzug deutscher Organisationen aus Kabul

Das Auswärtige Amt warnt auf seiner Webseite ausdrücklich vor Aufenthalten in Afghanistan. Dort heißt es: „In Kabul und anderen Landesteilen werden immer wieder schwere Anschläge verübt, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte fordern. Bombenanschläge, bewaffnete Überfälle und Entführungen gehören seit Jahren in allen Teilen von Afghanistan zum Angriffsspektrum der regierungsfeindlichen Kräfte.“ Erst Mitte Oktober habe die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) darauf hingewiesen, dass die Zahl der verwundeten und getöteten Zivilisten in Afghanistan im dritten Quartal 2019 um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen ist. Wie gefährlich es in Afghanistan ist, haben deutsche Organisationen und ihre Mitarbeitenden Anfang September selbst erleben müssen. Ein schwerer Anschlag im sogenannten „Green Village“, einem besonders gesicherten Stadtteil in Kabul für ausländische Organisationen, hat mehr als 30 Tote gefordert. Im Anschluss haben die Bundespolizei und Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die meisten ihrer Mitarbeitenden aus Kabul abgezogen. Darunter auch GIZ-Mitarbeitende, die aus Deutschland abgeschobene Geflüchtete bei ihrer Rückkehr unterstützen sollen.

Rückkehrmonitoring: Was wird aus den Abgeschobenen in Afghanistan?

Andreas Lipsch weist auf die Problematik diesbezüglich hin: „Das Leben in Afghanistan ist gefährlich. Dies gilt nicht nur für entsandte Deutsche. Eine Betreuung der abgeschobenen Afghanen ist dort zurzeit nicht möglich. Angesichts der Sicherheitslage können unsere Landesregierungen nicht länger die Augen verschließen. Sie müssen sich der Verantwortung für diese Menschen stellen. Wir möchten wissen, was aus den Abgeschobenen in Afghanistan wird. Dafür braucht es ein Rückkehrmonitoring, das in den Händen von Nichtregierungsorganisationen liegt.“ Die Diakonie Hessen appelliert an die Regierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz, sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung nachhaltig überprüft, was aus den Menschen wird, die mit so genannten Sammelchartern aus Deutschland abgeschoben werden. Die kommende Innenministerkonferenz im Dezember 2019 biete, so Lipsch, beiden Bundesländern dafür eine gute Gelegenheit.

Integration der afghanischen Geflüchteten in Hessen fördern

Jeder Abschiebungsflug schaffe Verunsicherung unter Geflüchteten aus Afghanistan. „Hessen muss endlich sein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und afghanischen Geflüchteten langfristige Duldungen erteilen. Zumindest denen, die derzeit sowieso nicht abgeschoben werden“, sagt Lipsch. Es sei zu befürchten, dass geduldete afghanische Geflüchtete über Jahre in Erstaufnahmeeinrichtungen festgehalten würden, obwohl gar keine Abschiebung drohe. Bisher gab es zumindest bei Duldung die Möglichkeit, eine Ausbildung aufzunehmen, einen Schulabschluss zu machen oder eine Arbeit zu finden. Jetzt, so die Kritik der Diakonie Hessen, werden aufgrund einer aktuellen bundesgesetzlichen Änderung alle alleinstehenden Geflüchteten mit einer Duldung nicht mehr aus den Erstaufnahmeeinrichtungen entlassen. Lipsch: „Diese Regelung ist integrationspolitisch völlig unsinnig. Sie zerstört die Potentiale und Ressourcen von Schutzsuchenden. Sie schafft prekäre Lebenslagen und treibt Menschen in die Untätigkeit, in Abhängigkeit und Isolation.“

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