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13 Erwartungen an die hessische Landesregierung

Für eine inklusive Migrations- und Flüchtlingspolitik

Die Evangelischen Kirchen und die Diakonie Hessen haben 13 Erwartungen an die hessische Landesregierung formuliert.

Wir setzen uns für eine inklusive an den Menschenrechten orientierte Gesellschaft ein und plädieren für einen Paradigmenwechsel in der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Ziel muss sein, alle in der Migrationsgesellschaft lebenden Menschen gleichberechtigt zu beteiligen.

1. Rechte von Asylsuchenden und Einwandernden anerkennen – Populismus entgegentreten

Asylsuchende haben das Recht auf eine faire und unvoreingenommene Prüfung ihres Antrages. Die zunehmende Binnenwanderung innerhalb der EU darf nicht zum Anlass genommen werden, die Freizügigkeit bestimmter Gruppen einzuschränken.

  • Wir erwarten, dass die Hessische Landesregierung mit der Zunahme von Asylgesuchen und der EU-Binnenmigration besonnen und sachlich umgeht und jedem Populismus entgegentritt.

2. Inklusive Migrationspolitik gestalten – Am Sozialraum orientieren

Angesichts einer zunehmenden Vielfalt von Migrationsformen, Aufenthalts- und sozialen Rechten sowie der Diversität der Einwohnerschaft ist eine am Sozialraum orientierte moderne Migrations- und Partizipationspolitik notwendig.

  • Wir empfehlen eine landesgesetzliche Grundlage für eine am Sozialraum orientierte Migrationspolitik und die Öffnung von Integrationsmaßnahmen für asylsuchende und geduldete Personen.
  • Wir befürworten ein Ministerium, in dem alle Fragen migrationspolitischer Gestaltung gebündelt, vernetzt und interministeriell gesteuert werden.

3. Beratung professionalisieren – Besonders Schutzbedürftige unterstützen

Unabhängige Beratung brauchen neben Neuzugewanderten auch Flüchtlinge, Geduldete und Menschen ohne Aufenthaltsstatus.

  • Wir erwarten die finanzielle Absicherung einer flächendeckenden und unabhängigen Beratungsstruktur für die Migrations- und Flüchtlingsarbeit.
  • Wir empfehlen die Einrichtung von Clearingstellen zur Identifizierung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in den hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen und Abschiebungshaftanstalten.

4. Freizügigkeit stärken – Einwanderung sozial gestalten

Unter den gegenwärtig Zuwandernden sind viele Hochqualifizierte und gut Ausgebildete, aber auch Menschen, die versuchen, der Armut und völligen Perspektivlosigkeit zu entkommen. Freizügigkeit ist in der EU ein Recht und kein Gnadenakt.

  • Wir erwarten, dass die sozialräumliche Inklusion zugewanderter EU-Bürger und EU-Bürgerinnen niedrigschwellig gefördert wird. Dazu gehört auch die finanzielle Unterstützung besonders betroffener Kommunen.
  • Wir erwarten die Ermöglichung des Zugangs zu Sprachkursen für alle Neueinwandernden und sprachliche Förderung gerade auch für Kinder und Jugendliche.
  • Wir erwarten die Bündelung der Fragen und Handlungsstrategien auf Ministeriumsebene unter Einbeziehung aller Beteiligten.

5. Rassismus bekämpfen – Diskriminierung verhindern

Rechtsterroristische Strukturen müssen aufgedeckt, rechtsextreme Gewalt- und Straftaten konsequent strafrechtlich verfolgt und Opfer rechtsextremer Gewalttaten unterstützt werden.

  • Wir erwarten Antirassismus-Trainings in der Ausbildung von Beamtinnen und Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes und ein gesetzliches Verbot von Polizeikontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale.
  • Wir erwarten den Aufbau und die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Strukturen und Projekte zum Abbau rassistischer Stereotype und zur Förderung von Akzeptanz der gesellschaftlichen Vielfalt sowie zur Unterstützung von Opfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt.
  • Wir erwarten die Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen in Hessen.

6. Hessisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (HBQFG) konsequent umsetzen – Beratungsstruktur aufbauen

Die Evangelischen Kirchen und die Diakonie Hessen begrüßen das HBQFG, vermissen aber ein Gesamtkonzept für eine dauerhafte und flächendeckende Beratungsstruktur im Anerkennungsverfahren.

  • Wir erwarten konkrete Vorschläge für Ausgleichsmaßnahmen und ein Konzept für Nachqualifizierungen.
  • Wir erwarten eine Beratungsstruktur, die vorhandene regionale Beratungsstellen einbindet und in der zusätzlich spezialisierte Fachstellen finanziell gefördert werden.

7. Unterbringung von Flüchtlingen verbessern – Einheitliche Standards schaffen

Unterkünfte für Asylsuchende müssen so gestaltet sein, dass sie einen „menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung“ gewährleisten und ein selbstbestimmtes Leben sowie gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.

  • Wir erwarten, dass die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zeitlich auf ein Minimum beschränkt wird.
  • Wir erwarten den Erlass einheitlicher Standards für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, deren Einhaltung regelmäßig durch eine Landesbehörde überprüft wird.

8. Härtefallkommissionsgesetz ändern – Humanitärem Anspruch gerecht werden

Um dem humanitären Anspruch der gesetzlichen Härtefallregelung besser gerecht zu werden, muss das hessische Härtefallkommissionsgesetz (HFKG) geändert werden.

  • Wir erwarten, dass unzureichende Lebensunterhaltssicherung als Ausschlussgrund gestrichen wird, und die Wiedereinführung der einfachen Beschlussmehrheit.
  • Wir erwarten, dass mit Eingang der Eingabe bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission Abschiebungsschutz gewährt wird und ein zwingend vorgeschaltetes Petitionsverfahren entfällt.

9. Syrische Flüchtlinge willkommen heißen – Familienzusammenführung großzügig ermöglichen

Wir danken der hessischen Landesregierung, dass sie über das bundesweite Kontingent hinaus den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge nach Hessen ermöglicht hat. Bei der Umsetzung der Landesaufnahmeanordnung wird es sehr darauf ankommen, den humanitären Grundgedanken der Regelung großzügig in die Praxis umzusetzen.

  • Wir erwarten, dass bei besonders schutzwürdigen Personengruppen im Einzelfall auf die Vorlage einer Verpflichtungserklärung verzichtet wird. Mindestens jedoch ist die Verpflichtungserklärung grundsätzlich zeitlich zu begrenzen und im Blick auf die o. g. Personengruppen entsprechend einzuschränken.

10. Krankenversichertenkarte für Flüchtlinge und Geduldete einführen – Diskriminierung verhindern

Die Ausgabe von Behandlungsscheinen an Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) wirkt diskriminierend. Krankenversichertenkarten würden den Verwaltungsaufwand reduzieren, Kosten einsparen und den Betroffenen ein Stück Normalität verschaffen.

  • Wir erwarten die Einführung von Krankenversichertenkarten für alle Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen gemäß § 1 Asylbewerberleistungsgesetz.

11. Den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) verbessern – Abschiebungen aus Jugendhilfeeinrichtungen unterlassen

Der UN-Kinderrechtskonvention zufolge muss die Jugendhilfe Vorrang haben vor dem Aufenthalts- und Asylrecht.

  • Wir erwarten, dass ausnahmslos alle unbegleiteten Minderjährigen durch das Jugendamt in Obhut genommen werden.
  • Wir erwarten, dass die Alterseinschätzung des zuständigen Jugendamtes für alle Behörden verbindlich gilt und die Prüfung des Kindeswohls allein in seiner Kompetenz liegt.
  • Wir erwarten, dass für alle unbegleiteten Minderjährigen eine gesetzliche Vertreterin / ein gesetzlicher Vertreter (Vormund) und eine Ergänzungspflegschaft für die Vertretung in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren beantragt werden.
  • Wir erwarten, dass UMF nicht in Abschiebungshaft genommen und Abschiebungen/Überstellungen aus Jugendhilfeeinrichtungen unterlassen werden.

12. Abschiebungsbeobachtung unterstützen – Als Implementierung der Rückführungsrichtlinie anerkennen

Die EU-Rückführungsrichtlinie schreibt ein „wirksames System für die Überwachung“ von Abschiebungen vor. Die in Deutschland schon seit Jahren arbeitenden Abschiebungsbeobachtungen werden bisher als solche nicht anerkannt.

  • Wir erwarten, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, dass die Abschiebungsbeobachtung als offizielle Implementierung des Art. 8 Abs. 6 der EURückführungsrichtlinie anerkannt und unterstützt wird.
  • Wir erwarten, dass das Hessische Innenministerium im Forum Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt (FAFF) mitarbeitet und das Land das Projekt finanziell fördert.

13. Abschiebungshaft vermeiden – Eine landesgesetzliche Grundlage schaffen

Abschiebungshaft muss Ultima Ratio sein und sollte grundsätzlich vermieden werden. Da Abschiebungshaft keine Strafhaft darstellt, sollte sie nicht nach dem Strafvollzugsgesetz geregelt werden. Abschiebungshaft darf jedenfalls nie in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden.

  • Wir erwarten, dass per Erlass die Anordnung von Abschiebungshaft als Ultima Ratio benannt wird, mildere Mittel angewandt und besonders Schutzbedürftige von Abschiebungshaft ausgenommen werden.
  • Wir erwarten eine eigene gesetzliche Grundlage für die Vollzugsbedingungen der Abschiebungshaft.

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