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Ökumenische Diskussion

Den in Not geratenen helfen, gehört zum christlichen Selbstverständnis

JaguschSie stellten sich den Fragen des Publikums: der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz (links) und Kirchenpräsident Volker Jung (rechts). Die Moderatoren des Abends: Andrea Seeger und Martin Vorländer von der Evangelischen Sonntagszeitung mit den Anwältinnen des Publikums (hinten).

„Zweifeln erlaubt, müssen Christen alle willkommen heißen? Den Fragen der rund 150 Gäste in der Heiliggeistkirche stellten sich EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung und der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz am Mittwochabend. Deutlich wurde - Christinnen und Christen sind vielfältiger Meinung wenn es um Flüchtlingspolitik, Integration und Zuwanderung geht. Gespräche darüber sind daher dringend notwendig.

Rund 150 Gäste waren in die Heiliggeistkirche am Dominikanerkloster gekommen, katholische und evangelische Christen zu gleichen Teilen, wie eine kurze Abstimmung zu Beginn zeigte. Persönlich am Mikrofon oder durch auf Zettel geschriebene Statements konnten sich die Besucherinnen und Besucher an der Diskussion beteiligen. Das Angebot, miteinander ins Gespräch zu kommen, wurde rege angenommen. „Wie geht man um, mit mangelndem Respekt vor anderen? Was passiert wenn auf einmal alle 60 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind nach Deutschland kommen? Müssen wir nicht aufpassen, dass unsere christliche Kultur nicht den Bach runtergeht, bei all der Zuwanderung? Und warum sitzen Frauen und Männern in Moscheen getrennt, das widerspricht der deutschen Gleichberechtigung!

Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur

Deutlich spiegelte sich in den Fragen, die Angst vor Überfremdung und der Verlust der eigenen Kultur. Jung und zu Eltz hielten den kritischen Hinterfragungen stand. Jede einzelne wurde aufgegriffen und diskutiert, dabei blieben sich beide Kirchenvertreter der Grundhaltung ihrer Eingangsstatements treu. Für Volker Jung lässt das christliche Selbstverständnis nichts anderes zu, als Schutzsuchenden zu helfen. „Uns Christen kann das Schicksal von Menschen auf der Flucht nicht egal sein.“ Die Bibel kenne viele Geschichten von Flucht und Migration. Sie schreibe vor, den Fremdling nicht zu bedrücken und erinnere daran, dass die Israeliten selbst Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seien. „Wir brauchen eine gute Streitkultur, um solche Fragen voranzubringen.“ Kommunikation bedeute, verschiedene Sichtweisen vorbringen zu können und sich respektvoll miteinander auszutauschen.

Diskriminierendes Verhalten passt nicht zum christlichen Selbstverständnis.

„Gott will das Heil und Wohl der Menschen. Wir brauchen eine Gesellschaft, die sich der Not der Menschen nicht verschließt,  eine empathische Gesellschaft, die Menschen anderer Religion, Kultur und Herkunft nicht verachtet.“ Diskriminierendes Verhalten passe nicht zum christlichen Selbstverständnis. Theologisch zuspitzend seine These zu Beginn: "In der Begegnung mit dem Fremden, Anderen begegnen wir Christus und uns selbst.“  Das dürfe bei allen Ängsten und Zweifeln nicht vergessen werden. Auch eine Obergrenze für die humanitäre Flüchtlingshilfe lehnt er ab und kritisierte: „Bilder von 60 Millionen Flüchtlingen, die nach Deutschland strömen wollen, entspricht nicht den Tatsachen.“ Solche Bilder würden genutzt, um Stimmung zu machen und Ängste zu schüren.

Gastfreundschaft ist Christenpflicht

Auch zu Eltz fand klare Worte: „Christen müssen selbstverständlich alle willkommen heißen“. Das Bekenntnis zur christlichen Gastfreundschaft sei unumstößlich. Auch sei es unerlässlich, nach den Regeln eines respektvollen Dialoges miteinander ins Gespräch zu kommen. Zu Eltz, der zum Thema „Dialog mit Muslimen“ sein Eingangsstatement hielt, betonte auf die Frage, das ja gerade bei „den anderen“ der Respekt und höfliches Benehmen fehle: „Es geht hier nicht, um eine Vorleistung, die andere erbringen müssten, sondern für Christen gilt: Behandele andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.“

Nicht überzeugen müssen, sondern bereichern lassen

Zu Eltz forderte eine Gesprächskultur mit Muslimen, die den anderen nicht überzeugen müsse, sondern offen sei und bereit, aus dem Gespräch bereichert herauszugehen. Allwissenheit und Unfehlbarkeit machten den Dialog unmöglich. Der Stadtdekan nannte aber auch Schwierigkeiten im Dialog. Es gäbe keine Ansprechpartner, die alle oder viele Muslime vertreten. So sei es auch nicht zielführend, nur mit liberalen und assimilierten Muslimen einen Dialog zu führen. Man müsse die Menschen in der Fläche erreichen. Und bei allen schwierigen Gesprächen, das gelte auch für den interreligiösen Dialog, dürfe die Leichtigkeit und der Humor nicht fehlen.  Viele Klippen können manmit einem gemeinsamen herzlichen Lachen umschiffen.

Positive Beispiele ins Rampenlicht stellen

Neben kritischen Fragen zum umstrittenen türkischen Dachverband Ditib, zur Mauerbau-Politik des US-Präsidenten Trumps und zum Frauenbild des Islams und den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln, gab es auch viel Zustimmung zur Haltung der Kirche in der Flüchtlingspolitik, und auch positive Beispiele wurden benannt. „Wir feiern gemeinsame verschiedene religiöse Feste in unserer Gemeinde und empfinden die Menschen aus Afghanistan und Syrien als große Bereicherung“, so eine Dame aus dem Publikum. Auch sprachen sich viele dafür aus, sich endlich von verallgemeinernden Zuschreibungen zu verabschieden.

Verallgemeinerungen stoppen

„Es gibt nicht die Muslime, die Flüchtlinge, die Ausländer“,  kritisierte eine Flüchtlingspfarrerin. „Es sind Menschen, die jede und jeder ihr Schicksal mit sich bringen, die gläubig oder nichtgläubig sind und die man nicht einfach pauschal über einen Kamm scheren kann.“ Das die Integration so vieler Menschen eine komplexe und keine leichte Aufgabe von Generationen sei, darin waren sich alle einig. Doch zu Eltz und Jung betonten nochmal besonders: Das Grundgesetz ist das Buch, an das sich alle halten müssen und darin sei auch die Regligionsfreiheit verankert.

Gesprächsbedarf bleibt

Nicht alle Fragen konnten in eineinhalb Stunden geklärt werden, vieles blieb bei einer bis zum Schluss spannenden Debatte offen. Aber das Format, der von Evangelischer Sonntagszeitung, Evangelischer Akademie Frankfurt und dem Haus am Dom organisierten Veranstaltung ging auf. Dass bei einem so komplexen Thema großer Gesprächsbedarf herrscht, wurde mehr als deutlich und auch, das Christinnen und Christen in all ihrer Vielfalt ganz unterschiedlicher Meinung sein können – wie auch Musliminnen und Muslime.

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