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Auftritte für guten Zweck

Ukrainische Flüchtlinge gründen einen Chor

bonJoachim Menningen (rechts) leitet den Chor, der fast ausschließlich aus ukrainischen Geflüchteten besteht. Auch Swetlana Glück, Mitarbeiterin des Diakonischen Werks (vorne links) singt mit.

In Selters proben Männer und Frauen aus Osteuropa internationale Lieder. Der nächste Auftritt des Chores findet am kommenden Freitag, 24. Februar, auf dem Marktplatz in Selters statt: Das Ensemble singt während des ökumenischen Friedensgebets, das um 18 Uhr beginnt.

Joachim Menningen ist ein Routinier. Seit Jahrzehnten leitet der Kirchenmusiker aus Hachenburg Chöre. Aber dieser hier ist selbst für einen erfahrenen Dirigenten wie ihn etwas völlig Neues: Es ist ein Ensemble von Flüchtlingen aus der Ukraine. Gemeinsam machen sie Musik – weil es ihnen Freude bereitet. Und weil sie damit Gutes tun möchten: Die Einnahmen ihrer Auftritte fließen an die Hilfsorganisation „Superhumans“, die sich um die Rehabilitation von Kriegsversehrten kümmert. Erst vor wenigen Tagen sang der Chor in der Katholischen Kirche Hartenfels. Der Spendenerlös: stolze 640 Euro.

Ein Versprechen eingelöst

Entstanden ist der Chor aus einer spontanen Idee: „Im September 2022 gab es ein Treffen für ukrainische Flüchtlinge, die in der Region leben. Der DRK-Ortsverein Selters und das Diakonische Werk Westerwald hatten dazu eingeladen“, sagt Swetlana Glück. Sie ist Mitarbeiterin im Jugendmigrationsdienst des Diakonischen Werks Westerwald – und ist ebenfalls Mitglied des neuen Ensembles. „Ich löse ein Versprechen ein“, sagt sie lächelnd. „Während des Treffens im September haben die Flüchtlinge spontan Lieder aus ihrer Heimat angestimmt. Das hat uns alle total begeistert, und ich habe damals versprochen: Wenn Ihr einen Chor gründet, dann bin ich dabei!“

Motiviert bis in die Haarspitzen

Inzwischen ist aus der Idee eine stimmgewaltige Gruppe geworden: 18 Sängerinnen und Sänger – fast alle aus der Ukraine – treffen sich ein- bis zweimal in der Woche im katholischen Gemeindezentrum Selters und haben schon diverse Auftritte gemeistert. Und das, obwohl viele von ihnen keine Chorerfahrung haben. Kein Problem für Joachim Menningen; „Ich habe ein paar Tricks in Sachen Stimmbildung auf Lager“, sagt er augenzwinkernd. „Das Wichtigste ist, dass die Leute motiviert sind. Und das sind sie. Bis in die Haarspitzen.“

Musik mit Schmiss

Deshalb ist auch die Verständigung kein allzu großes Hindernis und funktioniert im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen. Zum Beispiel, als Menningen dem Männer-Register eine knifflige Melodieführung erklärt: „Der Klang muss glatt sein – wie eine glänzende Fläche“, sagt er und streicht über das lackierte Holz seines Klaviers. Dann singt der Chor ein Spiritual. Währenddessen breitet der Dirigent die Arme aus und baut sich mit strahlenden Lächeln vor dem Ensemble auf. „Mehr Schmiss!“, ruft er den Sängerinnen und Sängern zu – und sofort kommt Bewegung in die Gruppe. Musik als Sprache, die alle verstehen.

Klänge tun dem Herzen gut

Später interpretieren die Männer und Frauen ein ukrainisches Volkslied. Der Gesang kommt aus den Herzen; einige schließen bei manchen Zeilen die Augen – ganz ohne Anweisung des Dirigenten. Zum Beispiel die 20-jährige Olha, die aus der Nähe der Stadt Dnipro kommt. „Ich kenne dieses Lied schon lange. Bei uns wird es oft abends gesungen“, erzählt sie. „Es tut unseren Herzen gut, wenn wir ukrainische Lieder singen.“ Aber die deutschen Lieder gefallen ihr auch. „Schließlich ist das eine schöne Art, die Sprache zu lernen“, sagt sie. Auch Miroslaw genießt die Zeit im Chor, die für ihn alles andere als selbstverständlich ist: „Ich bin dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt“, sagt er. „Es ist doch toll, dass es hier in Deutschland selbst in einer recht kleinen Stadt wie Selters Chöre gibt.“

Wie ein Gebet

Die Probe endet mit einem ganz besonderen Lied, interpretiert von einer besonderen Stimme. Die 17-jährige Anastasia hat in ihrer Heimat schon mehrere Musikwettbewerbe gewonnen und singt: „Großer Gott, bewahre die Ukraine, ihren Willen nach Freiheit“, und alle hören ihr andächtig zu. Das Lied ist fast 140 Jahre alt. Für den Chor der ukrainischen Flüchtlinge ist es wie ein zeitloses Gebet. (bon)

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