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Angriff auf Rechtsstaat

Rechtsberaterkonferenz warnt vor „AnkER-Zentren“

hjalmeida/Istock

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände kritisieren, dass die vom Bundesinnenministerium geplanten „AnkER-Zentren“ für Asylsuchende zu einer Verschlechterung der Asylverfahren und zu sozialen Konflikten führen. Die Anwältinnen und Anwälte sind besorgt über zunehmende Angriffe auf den Rechtsstaat und den verrohten Diskurs.

„Seehofers Forderung nach immer noch schnelleren Verfahren geht auf Kosten rechtsstaatlicher Standards. Was wir stattdessen brauchen, ist mehr Ruhe und mehr Sorgfalt“, sagte Catrin Hirte-Piel, Rechtsanwältin aus Bielefeld und eine der Sprecherinnen der Konferenz.

Kaum Rechtsberatung oder Kontakte zu Familie und Freunden

Der Münchner Anwalt Hubert Heinhold schilderte die Realität der Aufnahmeeinrichtung Manching, die als ein Vorbild der geplanten Zentren gilt. „Rechtsberatung findet dort faktisch nicht statt. Kontakte zu Anwältinnen und Anwälten oder Besuch von Familie und Freunden sind kaum möglich. Kinder erhalten keinen regulären Schulunterricht, wenn sie nicht vor Gericht ziehen.“ Die Bewohnerinnen und Bewohner lebten in ständiger Angst vor der Abschiebung.

Isolierte Unterbringung fördert Perspektivlosikkeit und Konflikte

„Mit der isolierten Unterbringung in großen Lagern drängt man Menschen in Perspektivlosigkeit und schafft mutwillig soziale Brennpunkte – mit den vorhersehbaren Konflikten wird man neue Verschärfungen zu rechtfertigen versuchen“, kommentierte Rechtsanwalt Michael Hiemann aus Arnstadt, ebenfalls Sprecher der Konferenz. „Der einzige sinnvolle Punkt, die beteiligten Behörden an einem Ort zusammenzuführen, ist in den vorhandenen Ankunftszentren schon erfüllt. Weitere Beschleunigung der Verfahren, Verkürzung des Rechtswegs und auch die Deklaration weiterer ,sicherer‘ Herkunftsländer sind dagegen kontraproduktiv und stellen rechtsstaatliche Grundsätze in Frage“, so der Hamburger Anwalt Heiko Habbe.

Schutzsuchende brauchen qualifizierte unabängige Beratung

„Erforderlich wäre nach der Ankunft eine mehrwöchige Orientierungsphase, in der Schutzsuchende eine qualifizierte, unabhängige Beratung zum Verfahren erhalten. Die europäischen Vorgaben zur Identifizierung von Folteropfern, psychisch Traumatisierten und anderen besonders schutzbedürftigen Personen müssen endlich umgesetzt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss die Sachverhaltsklärung verbessern, dazu ausreichend Personal einsetzen und dieses besser schulen.“

Sorgfältigere Verfahren würden zu weniger Klagen führen

Sorgfältigere Verfahren würden dazu führen, dass Schutzberechtigte zuverlässiger erkannt werden. Dass derzeit rund 40 Prozent der Klagen gegen das BAMF erfolgreich sind, in denen in der Sache entschieden wird, nannte Habbe „ein Armutszeugnis für eine Behörde.“ Der eigentliche BAMF-Skandal sei, dass man sich über Zehntausende rechtswidrige Ablehnungen weniger aufrege als über 1.200 möglicherweise verfahrensfehlerhafter Anerkennungen in Bremen.

Besorgt über Hass-Mails und Morddrohungen

Die Konferenz zeigte sich besorgt über die zunehmende Verrohung des öffentlichen Diskurses. Der Stuttgarter Anwalt Engin Şanlı schilderte die Welle von Hass-Mails und Morddrohungen, die ihn erreichten, nachdem er einen aus Ellwangen abgeschobenen Geflüchteten vertreten hatte – viele mit der Betreffzeile „Anti-Abschiebe-Industrie“, dem Begriff, den zuvor der CSU-Politiker Alexander Dobrindt verwendet hatte. „Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Anwalt, ein Organ der Rechtspflege, in dieser Weise für die Ausübung seines Berufs geschmäht wird“, so Rechtsanwalt Michael Koch aus Würzburg. „Anwältinnen und Anwälte verteidigen das rechtsstaatliche Prinzip des wirksamen Rechtsschutzes gegen staatliche Entscheidungen. Herr Dobrindt sollte sich bei dem Kollegen entschuldigen.“

Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland und Deutsches Rotes Kreuz sowie dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht haben, Rechtsberatung für Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge durchzuführen. Ihre Mitglieder treffen sich regelmäßig zum Informations- und Meinungsaustausch, geben Fachpublikationen heraus und melden sich öffentlich zu Wort, wenn es um Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge geht.

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