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Herbstsynode 2016

Grundartikel: Kirche feiert Meilenstein der Theologie (mit Video)

Dieter Schütz/pixelio.deMenora aus SteinDas Judentum erhält im neuen Grundartikel eine besondere Stellung

Seit 25 Jahren besondere Verbundenheit zum Judentum im Grundartikel der EKHN - Feierstunde der Synode.

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Gäste bei der Feierstunde der Synode Ralph Alexander Lorz Gesangbuch Frank Hoffmann und Pfarrer Dr. Gunter Volz Prof. Dr. Doron Kiesel Blumen Pfarrer Dr. Gunter Volz

Frankfurt a.M., 25. November 2016. In einer Feierstunde hat die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Freitag (25. November 2016) an den 25. Jahrestag der Änderung ihres Grundartikels erinnert. 1991 revidierte die Synode den in etwa mit einer Präambel vergleichbaren Gesetzestext und erweiterte ihn um ein Bekenntnis zur Treue Gottes gegenüber den Juden. Er erhielt den Zusatz: „Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen, bezeugt sie (die Kirche) neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein.“

Damit entzog sie Antijudaismus und Antisemitismus jegliche theologische Grundlage und regte eine Neuorientierung des christlichen Verhältnisses zum Judentum an. In Fachkreisen gilt die Entscheidung als Meilenstein der Theologiegeschichte. Auf die Grundordnung mit dem vor einem viertel Jahrhundert erweiterten Abschnitt werden alle Pfarrerinnen und Pfarrer der EKHN ordiniert. 

Lorz: Historische Verantwortung 

Der hessische Kultusminister Alexander Lorz lobte die hessen-nassauische Kirche bei der Feierstunde für ihr Engagement im Gespräch mit dem Judentum. „Der christlich-jüdische Dialog ist offenkundig nicht ‚irgendein‘ interreligiöser Dialog“, sagte er. Selbst für den säkularen und neutralen Staat hierzulande sei es „geradezu geschichtsvergessen, sich auf diese formale Position zurückzuziehen.“ Aufgrund der „historischen Verantwortung und der historischen Schuld“ sei es bis heute wichtig, den christlich-jüdischen Dialog auf eine überregionale und sogar internationale Ebene zu führen. Deshalb freue sich Lorz ausdrücklich über die zahlreichen Gesellschaften und Initiativen für die christlich-jüdische Zusammenarbeit auf vielen Ebenen.

Gerade beim bevorstehenden 500. Jubiläumsjahr der Reformation seien die Erkenntnisse aus dem jüdisch-christlichen Gespräch nochmals von besonderer Bedeutung, wie sie etwa mit dem deutschlandweit klar ausgesprochenen Verzicht der evangelischen Krichen auf jegliche Judenmission deutlich zum Ausdruck gebracht werde.

Kiesel: Paradigmenwechel im Verständnis 

Der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, Doron Kiesel, bezeichnete die Erweiterung des Grundartikels in der EKHN als „Paradigmenwechsel im protestantisch-jüdischen Verhältnis“. Die Anerkennung der bleibenden Erwählung der Juden sei „ein klarer Bruch mit der sogenannten „Enterbungsthese, die davon ausgeht, dass Gottes Zuwendung von den Juden auf die Christen übergeht“. Sie akzeptiere zudem, „dass Jesus Christus als Jude aufgewachsen ist und als Jude gewirkt hat“. Daraus folge eine „substantielle und irreversible Verbindung des Christentums zu seinen jüdischen Wurzeln“. Kiesel wies zugleich auf die zuletzt wieder vermehrt aufgetretene Frage der Judenmission als Problem hin. Dies zeige, dass auch in Zukunft theologische Klarstellungen erforderlich seien.

Oelschläger: Dialog verstärken 

Bereits zu Beginn der Herbsttagung am Mittwoch hatte der Präses der Kirchensynode, Ulrich Oelschläger, eine Stärkung des Dialogs mit dem Judentum gefordert. In einem Gottesdienst zum Auftakt der Beratungen erklärte er, dass „das Zusammenleben von Christen und Juden in unserer Geschichte zarte Knospen zeigt, aber immer wieder auch Verletzung und Zerstörung“. Umso wichtiger sei eine intensive Auseinandersetzung mit den Traditionen beider Glaubensrichtungen.

Zuletzt hatte sich die hessen-nassauische Kirche vor zwei Jahren auch von den judenfeindlichen Schriften Martin Luthers distanziert. Die Haltung des Reformators zum zeitgenössischen Judentum des 16. Jahrhunderts sei nicht vereinbar mit dem heutigen Bekenntnis der EKHN. Die Aussagen der sogenannten „Judenschriften“ aus Luthers Alterswerk stünden im Widerspruch zum 1991 erweiterten Grundartikel der Kirchenordnung der Landeskirche und der dort festgestellten „bleibenden Erwählung der Juden“, so die Stellungnahme aus dem Jahr 2014. Bei der Feierstunde war auch der langjährige Leiter des Instituts Kirche und Judentum in Berlin, Peter von der Osten-Sacken, der ebenfalls als einer der Mitbegründer des jüdisch-christlichen Gesprächs im Nachkriegsdeutschland gilt.

Hintergrund biblisch begründeter Antisemitismus

Antisemitismus und Antijudaismus haben sich Jahrhunderte lang biblischer und kirchlicher Argumente bedient. Tatsächlich sind antijudaistische Haltungen in der Bibel durchaus zu finden, etwa im Johannesevangelium. Sie kommen auch in späten Schriften des Reformators Martin Luther vor. In ihnen spiegelt sich aber das ungeklärte Verhältnis zweier Religionen wider, die denselben Gott bekennen und sich weithin auf die gleichen Glaubenstexte der jüdischen Bibel - für Christen das Alte Testament - beziehen. Beide Religionen deuten zugleich Jesus Christus unterschiedlich.

Dieses spannungsreiche Mit- und Gegeneinander hat über Jahrhunderte hinweg zu Verfolgungen und Pogromen der christlichen Mehrheiten an den jüdischen Minderheiten geführt. Ihre furchtbarste Ausprägung fanden sie im Völkermord des deutschen NS-Staates an den Juden in Europa. Die Frage ist daher unabwendbar, wie die christliche Theologie sicherstellen kann, dass derartiges nie wieder eine theologische Legitimation haben oder auch nur missbrauchen kann. Dem hat sich die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gestellt. Ihre Entscheidung war, nach langer und intensiver Debatte, im Jahr 1991 den Grundartikel der EKHN zu ändern und um ein Bekenntnis zur bleibenden Erwählung der Juden.

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25 Jahren besondere Verbundenheit zum Judentum


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