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Religionsmonitor 2017

Fast jeder zweite Muslim in der Flüchtlingshilfe aktiv

Istock/Christopher Futcher

Muslime in Deutschland bringen sich stärker in die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe ein als Mitglieder anderer Konfessionen oder Atheisten. Das belegt die Auftaktstudie des Religionsmonitors 2017 der Bertelsmann Stiftung. Mit ihren kulturellen Kompetenzen und Integrationserfahrungen sind Mus-lime damit wichtige Brückenbauer in unserer Gesellschaft.

Die Flucht hunderttausender Menschen nach Deutschland hat neue zivilgesellschaftliche Potenziale in Deutschland geweckt. Insbesondere Muslime fallen durch ein starkes Engagement auf: 44 Prozent der befragten Muslime haben sich im Jahr 2016 für Geflüchtete engagiert. Lediglich 21 Prozent der Christen und 17 Prozent der Konfessionslosen tun dies.

Vorurteile, Muslime würden sich wenig bis gar nicht in der Flüchtlingshilfe beteiligen und kaum gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, treffen somit nicht zu. Auch die Annahme Muslime würden die Flüchtlingshilfe für eine religiöse Einflussnahme missbrauchen, sind laut aktuellem Religionsmonitor 2017 haltlos. Allenfalls bei ein bis zwei Prozent der Helfer kann von einer Absicht, Geflüchtete zu radikalisieren, gesprochen werden. Die große Mehrheit der Muslime wirbt aber für eine offene Haltung gegenüber anderen Religionen. Sie setzen sich damit also für demokratische Grundprinzipien ein. Durch ihre eigenen Integrationserfahrungen und ihre demokratischen Kompetenzen können engagierte Muslime in der Flüchtlingshilfe ein Vorbild sein, wie Integration in einer vielfältigen Gesellschaft gelingt. „Muslime sind mit ihrem Engagement in der Flüchtlingshilfe wichtige Brückenbauer in unsere Gesellschaft“, sagt Stephan Vopel, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung.

Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung hat sich 2016 für Flüchtlinge engagiert – die meisten von ihnen regelmäßig. Durch die Flüchtlingshilfe erreicht das Ehrenamt Bevölkerungsteile, die sich bislang wenig engagiert haben: junge Erwachsene, Menschen mit niedrigem Einkommen und Personen mit Migrationshintergrund. Durch die Flüchtlingshilfe gestalten diese Gruppen die Gesellschaft mehr und mehr aktiv mit. Ebenfalls auffällig ist das intensive Engagement der ostdeutschen Bevölkerung: So engagiert sich jeder fünfte ostdeutsche Flüchtlingshelfer regelmäßig mehrmals die Woche; unter den westdeutschen Engagierten ist nur jeder zehnte so aktiv.

Flüchtlingsunterkünfte als Knotenpunkte des Engagements

In der Frage, ob sich jemand in der Flüchtlingshilfe engagiert oder nicht, spielt der Ort einer Flüchtlingsunterkunft eine zentrale Rolle. Wer in der Nähe einer solchen Einrichtung wohnt, engagiert sich deutlich häufiger für Geflüchtete als Menschen, die weiter weg wohnen: In Westdeutschland engagieren sich 28 Prozent, wenn sie in der Nähe einer Unterkunft wohnen. Tun sie das nicht, sind es nur 14 Prozent. In Ostdeutschland helfen 17 Prozent der Bevölkerung Flüchtlingen, wenn sie in der Nähe einer solchen Einrichtung leben. Leben sie weiter weg, sind es nur 12 Prozent.
Gemeinschaftsunterkünfte sind also wichtige Orte, um Hilfe anzubieten, und sie sind nicht nur „Stein des Anstoßes“. So fühlen sich nur acht Prozent der westdeutschen und 15 Prozent der ostdeutschen Anwohner durch die Unterbringung von Geflüchteten in ihrem Viertel tatsächlich gestört. Die Ängste sind vor der Einrichtung einer Unterkunft meist größer als die tatsächlichen Probleme, die sich anschließend ergeben. Dies zeigt erneut, dass persönliche Kontakte entscheidend sind, um Ängste und Vorbehalte zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen abzubauen.

Darüber hinaus sind sie eine wichtige Quelle für Empathie, die sich in einem stärkeren Einsatz für Geflüchtete niederschlägt. „Dieses ehrenamtliche Engagement zeigt, dass unsere Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhält - unabhängig von Religion und Herkunft", sagt Yasemin El-Menouar, Expertin für den Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung. „Damit diese Potenziale noch effektiver und dauerhaft genutzt werden können, sollten sie besser in bestehende ehrenamtliche Strukturen eingebettet werden; insbesondere engagierte Muslime gilt es besser zu unterstützen.“
Vernetzungsangebote, Beratung und Qualifizierung können dazu beitragen, dass Integration nachhaltig gelingt. Dies würde auch dazu beitragen, den – wenn auch seltenen - fundamentalistischen Missionierungsversuchen entgegenzuwirken.

Zusatzinformationen

Der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung untersucht anhand von repräsentativen Bevölkerungsumfragen die Rolle von Religion und religiöser Vielfalt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Am Religionsmonitor 2017 haben sich insgesamt über 10.000 Menschen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien sowie der Türkei beteiligt. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat Professor Alexander K. Nagel von der Universität Göttingen gemeinsam mit der Projektleiterin des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menouar, anhand dieser Daten analysiert, welche Rolle Religion für das Engagement für Geflüchtete einnimmt. Die vorliegende Studie ist der Auftakt einer Publikationsreihe zum Religionsmonitors 2017.

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