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Initiative «Fluchtpunkt»

Der «Fluchtpunkt» ebnet Flüchtlingen Weg in die Gemeinschaft

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Vom Spielenachmittag über den Deutsch-Kurs bis zur Wohnungssuche: In der Taunus-Gemeinde Niedernhausen kümmert sich die Initiative «Fluchtpunkt» um Zuwanderer. Das klappt prima - dank der vielen Helfer und guter Koordination.

Im Hof der Niedernhausener Flüchtlingsunterkunft «Lochmühle» ist reger Betrieb. Eine Familie hat eine eigene Wohnung im Ort gefunden - ehrenamtliche Helfer packen beim Umzug mit an. Auch im Haus wird geräumt: Mehrere Bewohner schieben eine große Couch über den Flur, von der man kaum glauben mag, dass sie in eines der kleinen Zimmer passt. Mitten drin: Patricia Garnadt von der Initiative «Fluchtpunkt». Sie koordiniert die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge in Niedernhausen. Es liegt sicherlich an ihrer ruhigen und bestimmten Art, dass dies in der Taunus-Gemeinde gut funktioniert.
 
Garnadt ist sofort von Bewohnern umringt. Eine junge Syrerin fragt nach einer eigenen Wohnung, sie hat gesehen, dass eine Familie auszieht. Garnadt versucht ihr klar zu machen, dass sie für ein eigenständiges Leben in Deutschland zunächst die Sprache sprechen muss. Ein Afghane will freiwillig in seine Heimat zurückkehren, nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde. Jetzt hat er noch Fragen zu den «Reisebeihilfen», die Deutschland Menschen wie ihm zahlen. Und auch das Thema Putzen kommt kurz dran, einen Blick ins Bad verkneift sich Garnadt lieber. «Das müssen die Bewohner unter sich klären. Sie leben hier», sagt sie.
 
In der 15 00-Einwohner-Gemeinde Niedernhausen gibt es zwei vom Rheingau-Taunus-Kreis betriebene große Unterkünfte, eine alteingesessene im Ortskern mit etwa 170 Plätzen und die Lochmühle, ein umgebautes ehemaliges Altenheim am Ortsrand. Dort leben derzeit rund 160 Menschen. «Das klappt alles in allem recht gut, vor allem seitdem es dort - sechs Monate, nachdem die ersten Bewohner einzogen - Sozialarbeiter gibt», erzählt Garnadt.
 
Auf Initiative des Fluchtpunktes hin gibt es in der Lochmühle auch einen Bundesfreiwilligen - den Asylbewerber Jamshid Amarkhil. Der 25-Jährige kann sich in sechs Sprachen verständigen und ist ein guter Ansprechpartner, sowohl für die Bewohner als auch für Einheimische. «Jam und einer der Sozialarbeiter ergänzen sich perfekt», sagt Garnadt. 
 
Die Initiative «Fluchtpunkt Niedernhausen» ist an die Evangelische Kirchengemeinde angedockt. Nach dem Start mit einem Drei-Helfer-Team vor drei Jahren engagieren sich inzwischen 120 Ehrenamtliche. Es gibt unter anderem Deutsch-Kurse, Hausaufgabenbetreuung, Spielenachmittag oder Begleitung zu Arztterminen oder Ämtern.
 
Mit den Flüchtlingen hat Garnadt ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Einer hat sich nahezu selber die deutsche Sprache beigebracht - mit Hilfe von Lernprogrammen aus dem Internet. Andere kommen nur unregelmäßig in den Deutsch-Unterricht, den die Helfer ehrenamtlich anbieten. «Das darf man sich nicht zu Herzen nehmen», sagt die Koordinatorin. «Ich halte es aber inzwischen mit der Devise: Fördern und fordern.» 
 
Die Ehrenamtlichen bemühten sich zwar, alle mitzunehmen, aber einige Flüchtlinge seien nach mehreren Jahren mangelhafter Sozialbetreuung in Lethargie versunken. «Menschen kommen unterschiedlich schnell voran, das ist eine Frage von persönlichem Ehrgeiz, kultureller Gewohnheit und manchmal auch glücklicher Begegnung mit Einheimischen zum richtigen Zeitpunkt», sagt die Koordinatorin. 
 
Nach der Einschätzung von Garnadt fehlt es an Angeboten, um Flüchtlinge nach der Erstaufnahme «in die Gesellschaft zu bringen». In Niedernhausen klappe es aber recht gut. Viele Vereine beispielsweise gingen sehr offen auf die Zuwanderer zu. Auch zur freiwilligen Feuerwehr gibt es erste Anknüpfungspunkte.
 
«Vor allem in ländlichen Regionen, wo es weniger professionelle Angebote zur Unterstützung gibt, sind Ehrenamtliche eine wichtige Stütze», erklärte der hessische Integrationsbeauftragte Jo Dreiseitel nach dem jüngsten Treffen des Asylkonvents. Als Vorzeige-Projekte nannte er die Freiwilligenagentur «Omnibus» im nordhessischen Eschwege und das Beratungsangebot beim Caritaszentrum im südhessischen Rodgau.
 
«Nach dem großen Zugang von Flüchtlingen sind die Zahlen bei den Ehrenamtlichen inzwischen zurückgegangen», sagt der Leiter der hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen, Ralf Stettner, vom Regierungspräsidium Gießen. Allerdings habe noch kein Projekt wegen mangelnder Helfer beendet werden müssen. 
 
Die bisherige Bilanz der Ehrenamtlichen in Niedernhausen? «Ich würde mir wünschen, dass wir in fünf Jahren zurückblicken und sagen, wir haben etwas gelernt. Und zwar nicht nur im Engagement für Flüchtlinge. Sondern wir haben gelernt, uns um die Menschen am Rande der Gesellschaft besser zu kümmern», sagt Garnadt.

Mit freundlicher Genehmigung der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg, www.dpa.de

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